1. FC Union Berlin - 1. FC Köln 0:3

Sonntagsspaziergang

Ich sitze in der Sonne und versuche, in der lauen Frühlingssonne ein paar Pigmente zu erhaschen. Die Augen geschlossen, lausche ich dem Treiben auf den umliegenden Bahnsteigen. Im Minutentakt kommen S-Bahnen an und spucken ihre Fracht aus. Das Stimmengewirr nimmt kurz zu. Erknerzurückbleibenbitte und das gewohnte Hupen der Türsignale. Die Masse verläuft sich und es wird wieder etwas ruhiger. Bis zum nächsten Zug. Die Menschen in der Nähe unterhalten sich übers Wetter, Familie, Schule. Herrlich, so könnte man den ganzen Nachmittag in der Großstadt verdösen...

Als plötzlich die Sonne verschwindet und sich ein schwarzer Schatten in mein Gesichtsfeld schiebt ...

Caro, wuppsi und Bernd. Ach verdammt! Heute ist nicht dösen und Romantik; stimmt ja, heute ist Fußball angesagt! Der FC ist in der Stadt und mit ihm einige liebe Kauze, die ich schon länger nicht mehr gesehen hatte. Alle in Zivil, also ohne FC-Farben. Rein sicherheitshalber, denn man weiß ja nie bei den ganzen Ostler-Glatzen ... So fuhren wir also unauffällig und unbemerkt mit den Union-Fans nach Köpenick.

Der Fußmarsch führte uns daraufhin auch prompt zum Fanblock - der Eisernen. Um auf die gegenüberliegende Seite zu gelangen schlugen wir absichtlich den weitesten Umweg ein - weil äh, wir mussten den Fahrer vom Mannschaftsbus beim Wenden einwinken... Echt jetzt, ich schwöre... Äh ja

Irgendwann haben wir das Stadion samt Wuhle und Heide einmal komplett umrundet und stießen schließlich auf die Straßenbahn, die ich vom Frankfurt-Spiel kannte. Von hier aus war es dann nicht mehr weit. Entgegen ersten Vermutungen kam uns auf dem letzten Stück auch nicht der Prinzenwagen entgegen, sondern das war nur der WH-Bus mit ein paar Kids in den Dachluken, die nach den Straßenbahn-Leitungen hangelten ;o)

Im Stadion wurden wir Kölner Fans auf sehr sympathische Art und Weise von dem Stadionsprecher-Duo begrüßt. Die beiden wurden es nicht müde, immer wieder auf die bevorstehende erste Niederlage der Gäste hinzuweisen. Das "Auswärtssieg - Auswärtssieg" aus unserem Block quittierte er mit dem Zitat, dass unser "mangelnder Realitätssinn Folge des Fehlens von Information" sei. Seht es mir nach, dass ich den urheberhaften Philosophen bis zu diesem Bericht vergessen habe. Der interessierte Literaturfreak darf gerne googlen.

Von Glatzen und Faschos keine Spur. Die Musikauswahl war klassik-rockig und ausgesprochen angenehm für wartendes Stadion-Volk. Sogar BAP wurde eingebaut und in Anspielung auf unsere letzte Niederlage wurde "verdamp lang her" zum Besten gegeben (Da hätte man aber auch schon mal im Rhein-Energ in Müngersdorf drauf kommen können). Mit dem Versprechen, dass bei Ende unserer Sieg- und der Berliner Niederlagen-Serie mehr kölsche Musik und ansonsten bei verrammeltem Block ein Düsseldorf-Medley zum besten gegeben werde, endete der Austausch von Freundlichkeiten.

Beim Vorstellen der Mannschaften tauchte ein langhaariger Bombenleger neben uns auf, der vorgab, uns angeblich zu kennen. Huch! Das war ja der Clausi. Gott sein dank. Denn die erste Halbzeit war so langweilig, dass Clausis Rätselraten, welche FC-Spieler da unter welcher Nummer rumliefen, die einzige Abwechslung war @Clausi - das mit Donkov und der Nummer 9 war nicht ernst gemeint ;o)

Wenn man es nett kommentieren möchte, war das Kölner Spiel von Abwarten und einer guten Bade-Aktion (Ball halten durch draufsetzen) geprägt. Gepflegte Langeweile machte sich breit, und einziger Trost zu diesem Zeitpunkt war das nette Drumrum bei schönem Wetter. Wer Statistik über zerbröselte Assi-Fahnen führt, der möge seiner Dauerkarte die dritte Kerbe einritzen. In der Halbzeit fand dann noch Zeitansage himself, Skycom, den Weg zu uns und brachte ein wenig Stimmung in unseren Teil des Blocks.

Die abwartenden Kölner bekamen in der Person von Scherz und anschließend Kioyo - der Ball kam von irgendwem zu ihm ;o) - die Chance, Berlin mit einem Doppelschlag zu besiegen. Das wurde von Skycom mit intonieren von "nur noch sechs - nur noch sechs" bzw. "nur noch fünf" honoriert. Kapitän Lottner ist am Ende der Ball irgendwann mal noch auf den richtigen Schlappen gefallen, und er markierte das 3:0 - da "nur noch vier" jetzt nicht mehr sehr realistisch war, verlagerte man sich gesangstechnisch aufs aufaddieren. Und das ging "zehnzunullzehnzunullzehnzunull".

Nach dem Spiel musste der Stadionsprecher feststellen, dass der Philosoph evtl. recht haben mag, er selbst jedoch im vorliegenden Fall deutlichst daneben gelegen hatte. Als einzige Rache blieb ihm, nun wirklich die Hosen anzuspielen. Tapfer weghörend haben wir uns für eine Kneipe verabredet und machten uns auf, den schönen Sonntagsspaziergang sinnvoll ausklingen zu lassen.

Im Anastasia traf nun auch noch Eschi dazu und wir kauten innerhalb der folgenden drei Stunden die gesamte Geschichte des FC durch. Inklusive den wesentlichen Nebenaspekten, Zukunft des FC (Nachfolger vom Funkel), bestgeeignete Trainer, um Leverkusen und Gladbach (in dieser Reihenfolge) ins Elend zu stürzen, Nichterreichbarkeit der aktuellen Erstligaergebnisse (huhu Nico) und Klatsch und Tratsch aus der zwischenmenschlichen Nähkästchenabteilung.

Als nach Rolff und Steinmann irgendwie nichts mehr ging, machten wir noch ein bisschen internationale Sicherheitspolitik und irgendwann war dann Feierabend. Mit Caro und wuppsi verabredete ich mich noch für den kommenden Mittag im Städtchen, wo wir unser nettes Beisammensein noch bei Pizza und Pasta ausklingen ließen.

Es war zwar wirklich nett in der Alten Försterei, trotzdem heißt mein Heimspiel im nächsten Jahr hoffentlich Hertha und nicht mehr Union. Und nächstes Wochenende suche ich mir wieder eine schöne gemütliche Bank in der Sonne, um dem Treiben der Großstädter zu lauschen ... ;o)

Müngi

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